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#BuntSpenden unterstützen, denn es gibt kein Blut erster und Zweiter Klasse

21. Juni 2014

tl;dr Menschen aufgrund von Vorurteilen vom Blutspenden auszuschließen ist nicht nur Diskriminierend, sondern auch nicht hilfreich! Darum „Bunt Spenden“ unterstützen und hier unterschreiben


Diesen Sommer wird Flagge gezeigt, und das nicht nur beim Fußball. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), der Christopher Street Day e. V. Berlin und DDB Tribal Berlin starten eine Petition gegen eine immer noch aktuelle Diskriminierung: Bi- und homosexuelle Männer dürfen hierzulande auch 2014 kein Blut spenden. Los geht’s mit einem echten Heimspiel vor 700.000 Menschen auf dem Christopher Street Day (CSD) am 21. Juni 2014.“  Mit diesen Worten Kündigt der LSVD die Aktion „Bunt Spenden“ an. Die Frage, ob ihr Blut schlechter ist als das Anderer, stellen sich seit Jahren viele Menschen.

In Deutschland gibt es Blut erster und zweiter Klasse

Wer als Mann einmal (!) in seinem Leben Sex mit einem Mann hatte, darf sein ganzes Leben lang weder Blut noch Knochenmark spenden. Wenn er lebend Organe spenden will, so darf ein Arzt ihn, ohne weitere Begründung von der Spende ausschließen. Einzig Toten wird in der Bundesrepublik dem Mann der (einmalige) Sex mit einem Mann verziehen.

Doch nicht nur Einmaliger Sex mit einem Mann ist ein Ausschlussgrund bis zum Grab.
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Giftiges Blut?

29. Juni 2012

Vortrag, der am 03. Juli 2012 von mir bei der AG Queeraten der Piraten Partei gehalten werden wird.

In der Bundesrepublik können Menschen, die Altruistisch eingestellt sind, nicht nur Geld spenden. Sie können auch Blut und Knochenmark  sowie als Lebender oder toter Organe spenden.

Nun, eigentlich, wie immer im leben, nicht alle Menschen. Wer kein Geld hat, kann logischerweise auch keines Spenden. Wer als Mann ein mal(!) in seinem Leben Sex mit einem anderen Mann hatte, darf sein Ganzes leben Lang weder Blut noch Knochenmark spenden. Wenn er lebend Organe spenden will, so darf ein Artzt ihn, ohne weitere Begründung von der Spende ausschließen. Einzig als Totem wird in der Bundesrepublik dem man der (Einmalige) Sex mit dem Mann Verzeihen.

Doch nicht nur Einmaliger Sex mit einem Mann ist ein Ausschlussgrund bis zum Grab. Du hast mal als Sexarbeiter oder Sexarbeiterin Gearbeitet? Ausschluss bis zum Tod vom Blut- und Knochenmarkspenden ist die Strafe.

Du hast mal Drogen gespritzt oder geschnupft? Dein Lesebrettendes Blut oder Knochenmark wollen wir nicht.

Im Jahre 2012 werden Menschen, die Zeitweise oder immer ein leben außerhalb Spießiger Moral und Wertvorstellungen leben wollen oder auch nur Einmalig (!) gegen diese verstoßen und sich z. B. sexuell ausprobieren und mit einem Mann einlassen, Prostituieren oder Drogengebraucher sind,  Stigmatisiert.

Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen als Auftrag

Wie jedes Jahr im Sommer klagen Blutbanken und Krankenhäuser über fehlende Blutspenden. Das hindert die Bundesärztekammer – die für die Richtlinien zur Blutspende verantwortlich ist – nicht daran, Vorurteile aufrechtzuerhalten und weiter zu befestigen. Auch im 21. Jahrhundert gilt: Wer schwul ist oder Neudeutsch zur Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben gehört, darf kein Blut und auch kein Knochenmark spenden.

Seit 1998 wird durch das Transfusionsgesetz (TFG) die Gewinnung von Blut- und Plasmaspenden sowie deren Verwendung und Weiternutzung in Deutschland  geregelt. Dessen Zweck wird  programmatisch in § 1 TFG als „gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten“ beschrieben . Weil durch das TFG ein Instrumentarium geschaffen werden sollte, das nicht einem ständigen Überarbeitungsprozess unterworfen sein würde, wurde nach § 12a und § 18 TFG die Regelung von Fragen, die den „allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik“ betreffen, der Bundesärztekammer übertragen.

Die Bundesärztekammer hat im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut ein Richtlinienkonvolut (Hämotherapie-RL) erarbeitet, das unter anderem regelt, welche gesellschaftlichen Gruppen dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen sind.

Damit wurde eine durch Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung bedingte  Anpassung der Gesetzgebung sowie der dadurch bedingte Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen von der Blutspende vom Bundestag auf Privatorganisationen Übertragen.

Ausgeschlossen von der Blutspende sind von bestimmten Krankheiten und Infektionen betroffenen Personen oder Menschen, die eine Transplantation hinter sich haben.

Weiterhin Alkohol- und Drogenabhängige, sowie Menschen, bei denen ein besonders hohes Risiko besteht, an der Creutzfeld-Jacob-Krankheit erkrankt zu sein.

Von Heterosexuellen und anderem Sexualverhalten

Nicht zuletzt sind  Personengruppen, denen aufgrund ihres Sexualverhaltens ein deutlich höheres Risiko der Infizierung mit Hepatitis oder HI-Viren unterstellt wird, ausgeschlossen. Zu dieser Personengruppe zählen männliche und weibliche Prostituierte, heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten – z.B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern – sowie „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben“, als MSM bezeichnet.i

Heterosexuelles Sexualverhalten führt nur dann zum Blutspendeverbot, wenn es im Einzelfall als gefährlich eingestuft wird, Frauen, die Sexualkontakte mit Frauen haben, bleiben in der Richtlinie unerwähnt. MSM werden nicht aufgrund des tatsächlichen Sexualverhaltens, sondern aufgrund eines Generalverdachts von der Blutspende ausgeschlossen.

Im Jahr 2010 wurde die bisherige Bezeichnung „Homo- und bisexuelle Männer“ gegen die zur zeit gültige Bezeichnung „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben“ ausgetauscht, was vermutlich zu einer Ausweitung des Ausschlusses geführt hat.

Eine Privatorganisation hat also bestimmt, das die subjektive Zuordnung zur Gruppe der „Homo- und Bisexuellen“ nicht mehr das Ausschlusskriterium ist, sondern der sexuelle Kontakt mit anderen Männern.

Der Blick Zurück

Will man diese Diskriminierung von Männern, die Sexualkontakt mit Männern haben oder hatten, verstehen, kann ein Blick zurück nicht schaden.

Nachdem bis Anfang der 1990er Jahre mehrere tausend Menschen durch Blutkonserven mit HIV- oder Hepatitis-C infiziert wurden, war die Entwicklung eines strengen Kontrollmechanismus nötig, um die Nutzung von infizierten Blutkonserven zu verhindern. Vor allem aufgrund der beträchtlichen Fehlerrate von HIV-Tests und des dreimonatigen Diagnosefensters war dabei der Ausschluss von Risikogruppen von der Blutspende ein vermeintlich akzeptables Mittel. Die mit einem Ausschluss verbundene Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Spender und dem Schutz des Lebens der Empfänger entschied der Bundesgerichtshof (BGH) 1991 bis heute endgültig.ii

In dem Urteil wurde dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht attestiert, weil sich 1984 ein Patient mit HIV infiziert hatte. Das Klinikum hatte, nach den Worten des BGH, nicht in ausreichendem Maß den Ausschluss von Risikogruppen von der Blutspende kontrolliert. Dem Lebensschutz des Empfängers käme grundsätzlich der Vorrang vor einer Belastung der Intimsphäre der Blutspender und der Möglichkeit einer öffentlichen Diskriminierung als Angehöriger einer Risikogruppe zu. Der BGH beließ es jedoch nicht bei dieser Feststellung, die den Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen für medizinisch und damit juristisch notwendig erklärte.

Die Richter kommentierten die Verteidigungsstrategie des Universitätsklinikums Eppendorf darüber hinaus mit folgenden Worten: „Insbesondere kann sich das Universitätskrankenhaus E. nicht damit entlasten, dass die „Lobby der Homosexuellen“ und die Medien gegen weitergehende Schutzmaßnahmen vehement und aggressiv vorgegangen wären. Von jedermann – erst recht von der öffentlichen Hand – ist zu verlangen, dass er sich von als notwendig zu erkennenden Maßnahmen nicht aus Furcht vor derartiger Kritik abhalten lässt.“iii Das TFG und alle seither erlassenen Hämotherapie-RL sind maßgeblich von den darin verwendeten deutlichen Formulierungen geprägt.

Neue Methoden führen nicht zu anderem Handeln

Im starken Kontrast zum anhaltenden Bezug auf das BGH-Urteil von 1991 steht die Entwicklung der medizinischen Testverfahren. Alle Blutspenden werden heute einer medizinischen Überprüfung unterzogen. Dies verfügt nur noch über ein Diagnosefenster von 9-11 Tagen. Seit dem Jahr 2000 kam es in Deutschland nur in fünf Fällen zur HIV-Infektion durch verseuchte Blutkonserven.

Der letzte bekannte Fall stammt aus dem Jahr 2007, bei ca. 2000-3000 Neuinfektionen pro Jahr ein statistisch zu vernachlässigender Wert. Das Risiko einer Infektionsübertragung wird von der Bundesärztekammer mittlerweile mit 1 : 4,3 Millionen angegeben.iv So kommt selbst die Bundesärztekammer im Begleitschreiben zur jüngsten Richtlinienanpassung zum Ergebnis, dass bei einer heutigen juristischen Überprüfung „ein Gericht die heute verfügbare äußerst zuverlässige Labortestung in die Bewertung einzubeziehen“ hätte.v

Das diagnostische Fenster – der Zeitraum zwischen Ansteckung und Nachweismöglichkeit durch Tests – ist inzwischen auf 9 bis 11 Tage gesunken. Allein Blutspenden in diesem Zeitraum liefern ein theoretisches Risiko. Ein Risiko, welches jedoch mit sexuellem Risikoverhalten in Verbindung steht und nicht mit der sexuellen Orientierung. Zudem: DEN MsM als Spender gibt es nicht, genauswenig, wie Risikoverhalten innerhalb z.B. der schwulen Szene homogen ausgeprägt ist.

Nimmt man dazu noch die durchschnittliche Spendenhäufigkeit von zweimal jährlich und die vorhandene HIV-Verbreitung erscheint das Risiko sehr theoretisch und ist definitiv nicht auf die sexuelle Orientierung abbildbar.

Andere Länder haben erkannt, dass ein Ausschluss aufgrund sexueller Orientierung keinen Sinn macht. Italien, Russland oder Spanien beispielsweise haben längst ihre Regelungen liberalisiert.

Keine Änderungen, nur Kosmetik

Die Revolutionärste Änderung im Gesamten Komplex Blutspenden ist der gemeinsamen Vorschlag für den Fragebogen der Blutspendedienste, den das Robert-Koch-Institut erstellt hat.vi

Bis zur Einführung dieses Fragebogens wurden diese von den Diensten individuell und eigenverantwortlich selbst gestaltet. Nach dem gemeinsamen Fragebogen der Blutspendedienste wird die die Abfrage nach der Option MsM nicht mehr gemeinsam mit Prostitution und Drogenhandel erfolgen.

Ach ja:  Mit Beschluss der Bundesärztekammer im Juli 2010 sollen alle „Männer die Sex mit Männern haben“(MSM) prinzipiell kein Blut spenden dürfen. Damit verschiebt sich der Ausschluss von der subjektiven Selbstdefinition (ob ich schwul bin definiere ich schließlich für mich selber) hin zu einer scheinbar objektiven Pauschaldefinition.

Formell reicht es nun also aus, als Pubertierender schwulen Sex mal ausprobiert zu haben, um von der Blutspende ausgeschlossen zu werden. Die MSM-Definition findet auch in den Regularien von Spanien und Italien Anwendung. In Spanien erfolgt ein Ausschluss für sechs Monate in Italien sind es vier Monate.

Eine Diskriminierung sieht die Bundesregierung dabei explizit nicht, da ein reiner „Ausschluss von Risikogruppen“ vorliege.vii Eine Änderung, die auf Risikoverhalten zielt, also die bspw. Menschen die mit wechselnden Sexualpartnern ungeschützten Sex praktizieren, egal welcher sexuellen Orientierung sie sich definieren, von der Blutspende für z.B. 4 Monate ausschließt, rückt in weite Ferne.

The Times They Are Not Changin

Und es ist jedoch nicht nur die derzeitige Bundesregierung, die diese diskriminierende Praxis aufrecht erhält. Nur das Rot-Grün dabei lieber Heuchelt und sich Menschenfreundlich gibt. So Hat die Jetzige NRW Gesundheitsministerin Barbara Steffens am 17.09.2009, also als sie noch nicht ministerin war, eine Kleine Anfrage zum Thema im NRW Landtag eingebracht. Diese trug den Plakativen Titel „Blutspende dringend gesucht; aber nicht von Schwulen?“.

Hierin wurde die CDU/FDP Landesregierung von NRW, unter anderem Plakativ, gefragt:“Ist die Landesregierung bereit, die entsprechenden Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten dahingehend zu überprüfen, ob eine Lösung gefunden werden kann, die sowohl den Sicherheitsbedürfnissen gerecht wird, als auch vermeidet, dass sich eine ganze Bevölkerungsgruppe unabhängig vom konkreten Verhalten unter Generalverdacht“ gestellt fühlt?“

Die Frage ist gut. Das Problem ist nur: die Fraktionen der Piraten in NRW könnten eben diese Frage heute Kopieren und Frau  Steffens stellen, die Antwort wäre, gemessen an den Handlungen eine ebensolches nein wie 2009. nur Die Phrasen von Frau steffens wärden bei der begründung weniger ehrlich und darum schwerer Erträglich als 2009.

Bob Dylan irrt: The Times They Are Not Changin

Hier gibt es weitere Infos:

https://wiki.piratenpartei.de/Diskussion:AG_Queeraten_Giftiges_Blut%3F

Anmerkungen:

i Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen gemäß §§ 12a u. 18        Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit        dem Paul-Ehrlich-Institut, Fassung vom 16.04.2010, http://www.bundesaerztekammer.de (Stand aller Links: 12.04.2012).

ii Bundesgerichtshofes, Urteil v. 30.04.199  – VI ZR 178/90, Entscheidungen des        Bundesgerichtshofes, Band  114, 284 ff., leider nur als Buch erhältlich

iii Ebenda,   295.

iv  Erläuterungen zum Blutspende-Ausschluss von Männern, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM), 31.03.2010, http://www.bundesaerztekammer.de, 7 f.

vEbenda, 10.

vi Drucksache 17/3568 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/035/1703568.pdf

vii Ebenda, 3