Posted tagged ‘Flüchtlinge’

„Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung“

14. April 2016

Dokumentation des Antrags „„Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung“ – Gegen das Gerede von Obergrenzen, Gastrecht, Kontingenten in DIE LINKE und eine willige Vollstreckung von Abschiebepolitik durch DIE LINKE!“  der Emanzipatorischen Linken an dem Magdeburger Parteitag DIE LINKE

DIE LINKE war lange Zeit die einzige Partei im Bundestag, die sich glaubwürdig antirassistisch positioniert hat. DIE LINKE stand für ein Bleiberecht für alle und stellte sich somit gegen Abschiebungen und setzte sich als einzige Partei für legale Fluchtwege ein – sie machte immer wieder deutlich, dass das Asylrecht ein Menschenrecht ist! Diese Glaubwürdigkeit der Partei DIE LINKE wurde jedoch in den letzten Monaten durch verantwortungslose Äußerungen einzelner Funktionsträger*Innen schwer beschädigt, die fordern, das Asylrecht de facto zu beseitigen, weil sie die Zahl der Schutzsuchenden „durch feste Kontingente in Europa begrenzen“ wollen, von „natürlichen Kapazitätsgrenzen“ schwadronieren oder den Verzicht auf einen Winterabschiebestopp politisch vertreten.

Offene Ignoranz gegenüber den roten Linien in der Asylpolitik

Die offene Ignoranz gegenüber den programmatischen roten Linien zum Thema Asylpolitik durch Genoss*innen, die Führungsfunktionen in unseren Fraktionen innehaben, hat uns in der Unterstützer*Innenbewegung für Geflüchtete unzuverlässig erscheinen lassen. Dadurch, dass auf die Forderung nach Obergrenzen oder dem Sprech vom Asylrecht als „Gastrecht“ keine Konsequenzen folgten, wurde das tausendfache Engagement von Genoss*Innen, die in der Unterstützer*innenbewegung für Geflüchtete arbeiten, in seiner Glaubwürdigkeit in Frage gestellt.

DIE LINKE muss eine unmissverständliche Solidarität mit den Geflüchteten üben und geschürten Ängsten eine klare Absage erteilen, seien es angebliche finanzielle Belastungen, Integrationsprobleme, oder vermeintliche Verteilungssorgen. Was die Refugees brauchen ist eine klare Fürsprecherin für ihre Interessen im Parlament und in der Öffentlichkeit. Doch DIE LINKE schafft es nicht, oder will es nicht schaffen, ihre antirassistischen Positionen deutlich in die Öffentlichkeit zu tragen, möglicherweise in der Angst, damit Teile ihrer Wählerschaft zu verprellen. Millionen, vor allem junge Menschen in Deutschland setzen sich für Geflüchtete ein, helfen bei Geflüchteten-Initiativen, tragen Spenden zusammen und gehen für die Rechte von Geflüchteten und für das Asylrecht auf die Straße. Viele dieser Menschen stehen der LINKEN nahe. Wir wünschen uns, dass DIE LINKE diesen Menschen eine Stimme gibt und ihre antirassistischen Grundsätze in die Öffentlichkeit trägt, überall wo sich ihr die Möglichkeit bietet. Das bedeutet ein klares Ja zu offenen Grenzen, zur Zuversicht, dass Geflüchtete für die Gesellschaft keine Last sondern eine Bereicherung bedeuten, und zur Klarstellung, dass die gegenwärtige Krise keine „Fluchtlingskriese“ darstellt, denn die Flüchtlinge verursachen Sie nicht, sondern Ausdruck des zunehmenden Rassismus in der Gesellschaft ist.

Eine linke Politik mit rechter Rhetorik kann nicht funktionieren!

Wir lehnen die Vorstellung ab, mit der Übernahme von rassistischen Parolen lasse sich der Rechtsruck in der Gesellschaft bekämpfen. Ein solches Vorgehen führt zum Gegenteil und schwächt die antirassistischen Kräfte in diesem Land. Eine linke Politik mit rechter Rhetorik kann nicht funktionieren! Wer, als Linke*r,von Ghettobildung in unseren Städten schwadroniert, und davon, dass ganze Stadtteile mit Parallelgesellschaften entstünden, und einseitig den Geflüchteten die Verantwortung dafür zuschiebt, hat den antirassistischen Konsens verlassen. Die Ghettoisierung von Geflüchteten ist nicht selbst gewählt, sondern Ergebnis politischer und sozialer Ausgrenzungsprozesse der Mehrheitsgesellschaft. Wer anprangert, dass Kinder in einem Umfeld aufwachsen, in dem kein Deutsch mehr gesprochen wird, muss die Ursachen dafür suchen und darf nicht Geflüchteten die Schuld an diesem Zustand geben. Uns ist bewusst, das eine Minderheit der Geflüchteten eine Integration ablehnt. Dies sehen wir kritisch und suchen nach Wegen, diese Einstellungen durch Überzeugungsarbeit zu beseitigen. Wir werden uns jedoch nicht an dem GegeneinanderAusspielen von Geflüchteten auf der einen Seite und der Wohnbevölkerung in Deutschland auf der anderen Seite beteiligen.

Bereits der damalige SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht hatte erkannt, dass die Politik mit Grenzen und Nationalitäten nur dazu führt, dass Erwerbstätige, Arbeitslose und andere Lohnabhängige mit unterschiedlichen Nationalitäten gegeneinander ausgespielt werden. Nicht umsonst propagierte er 1907 in Essen auf dem SPD Parteitag die Losung: „Hinfort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung“ [1]. Denn dieser Bruch, diese juristische Ungleichheit der Menschen aufgrund der künstlichen Einteilung in Inländer und Ausländer sorgt dafür, dass Menschen mit gleichen Interessen gegeneinander kämpfen, anstatt sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu wehren.

Eine Welt ohne Grenzen

Die Worte von Karl Liebknecht entsprechen unserem Ideal einer Welt ohne Grenzen, in der Menschen nicht tausendfach beim Versuch der Grenzüberschreitung zu Grunde gehen. Unser Ideal ist es, dass Menschen nach der Flucht vor Genozid, Hunger, Krieg, politischer Verfolgung, Armut, Perspektivlosigkeit oder Klimakatastrophen in Europa menschenwürdige Zustände vorfinden und nicht als Verteilmasse behandelt, von Rassist*innen angegriffen oder in eine ungewisse Zukunft abgeschoben werden. Mit der aktuellen politischen Situation konfrontiert, werden wir weiterhin gegen rassistische Stimmungsmache, die Infragestellung des Grundrechts auf Asyl, gegen Abschiebungen und Rassismus in Politik und Gesellschaft kämpfen.

Uns ist bewusst, dass Landesregierungen an denen DIE LINKE beteiligt ist, in ihrem Handlungsspielraum, was Abschiebungen und Ausweisung betrifft, stark beschränkt sind. Dies hat seine Ursachen unter anderem im Bundesrecht. Wir wissen, dass die derzeitige Politik dieser Landesregierungen in der Frage der Abschiebung von Geflüchteten und Migrant*Innen unseren Ansprüchen nicht entspricht. Wir erwarten von den an diesen Landesregierungen beteiligten Mitgliedern der Partei DIE LINKE, dass sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen um sich für bessere Lebensbedingungen geflüchteter Menschen einzusetzen und jede einzelne Abschiebung politisch hinterfragen. Von „Verbesserungen“ im Abschiebe-Regime weigern wir uns dabei zu sprechen, denn Abschiebungen und Ausweisungen sind für uns grundsätzlich inakzeptabel.

Rücktritt von ihren Funktionen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

– DIE LINKE wird weiterhin parlamentarisch und außerparlamentarisch gegen Abschiebungen und Ausweisungen kämpfen.

– die Forderungen nach Obergrenzen, Kontingenten oder oder ähnlichem sowie die Parole vom Asylrecht als Gastrecht lehnen wir ab. Asyl ist Menschenrecht und kein Gastrecht! Wir werden weiterhin Geflüchtete mit offenen Armen empfangen.

– alle Mitglieder der Partei DIE LINKE sind aufgerufen, alle zur Verfügung stehenden zivilgesellschaftlichen und parlamentarischen Mittel, die geeignet sind, Abschiebungen und Ausweisungen zu verhindern zu nutzen und sich an Aktionen, die diese Ziele fördern, zu beteiligen.

– ebenfalls sind alle Mitglieder aufgerufen, alle zur Verfügung stehenden Mittel, die geeignet sind für Geflüchtete menschenwürdige Lebenssituationen zu schaffen, zu nutzen und sich an Aktionen, die diese Ziele fördern, zu beteiligen.

– wir erwarten, dass alle Parteivorstands- und Fraktionsvorstandsmitglieder der Partei DIE LINKE, egal ob auf Landesebene oder Bundesebene, in ihrem Auftreten gegenüber der Unterstützer*Innenbewegung für Geflüchtete und der Öffentlichkeit glaubwürdig machen, dass sie einer Politik der Abschiebung, Forderungen nach Obergrenzen oder Kontingenten auf nationaler oder Europäischer Ebene eine klare Absage erteilen. Von Parteivorstands- und Fraktionsvorstandsmitgliedern der Partei DIE LINKE, die in der Öffentlichkeit diese programmatischen Eckpunkte nicht vertreten wollen oder können erwarten wir ein solidarisches Verhalten gegenüber der Partei oder den Rücktritt von ihren Funktionen.

Aufbruch in Fahrtrichtung links.

21. Januar 2016

Eine Erkenntnis des Jahres 2015 ist: Die Piratenpartei ist tot. Als ehemalige Angehörige, Funktionsträger*innen und Mandatsträger*innen der Piratenpartei arbeiten wir seit Jahren an den Fragen für die Politik des 21. Jahrhunderts. Die Unzulänglichkeit gewohnter Vorstellungen von Gesellschaft und Politik in einer immer enger zusammenwachsenden Welt gehört genauso zu diesen Fragen wie die konkreten politischen, ökonomischen und sozialen Umwälzungen durch Migration und Digitalisierung. Klassische Begriffe der deutschen Politik, des sozialen Austauschs und der privatrechtlichen Ordnung – wie Arbeit, Wissen und Sicherheit – funktionieren inzwischen anders und verhalten sich in aktuellen politischen Kontexten völlig unterschiedlich zu unseren politischen Erfahrungswerten. Wir haben erkannt, dass – wenn wir ein offenes und menschliches Europa und einen sozialen und freien Umgang mit neuen Technologien wollen – es unsere Aufgabe ist, ebensolchen Unzulänglichkeiten zu begegnen und neue Antworten zu finden.

Keine Politik zu machen ist für uns keine Option.

Obwohl einst genau zu diesem Zweck angetreten, ist die Piratenpartei dabei keine Hilfe mehr.

Dem zum Trotz haben wir uns dazu entschieden, uns weiter für ein sozialeres und offeneres Europa und Berlin einzusetzen. Keine Politik zu machen ist für uns keine Option.

Deutschland hat im Jahr 2015 mehr als 700.000 Geflüchtete aufgenommen und zunächst notdürftig versorgt. Wie sehr die europäische und die bundesrepublikanische Gesellschaft durch

diesen Umstand erschüttert worden sind, ist noch nicht erforscht. Die Implikationen können uns noch nicht klar werden, sie beginnen und sie enden sicher nicht mit dem Aufstieg der Deutschen Rechten in Form rechtspopulistischer Bewegungen und der rechtsradikalen AfD. Wie sich unsere Gesellschaft verändern muss und verändern wird mit den Menschen in Not, denen wir die Hand reichen, lässt sich sicher auch nicht im Jahr 2016 beantworten. Das muss in den nächsten

Jahrzehnten diskutiert und gestaltet werden. Wir sind überzeugt, dass es eine linke Diskurshoheit bei diesen und allen anderen umwälzenden Prozessen der globalisierten Gesellschaft und Ökonomie braucht, wenn nicht nur der gesellschaftliche Fortschritt der nächsten Jahre vorangetrieben, sondern auch der Fortschritt der letzten Jahrzehnte bewahrt werden soll.

Das 21. Jahrhundert zeichnet sich durch eine technologische und gesellschaftliche Entwicklung aus, die Kommunikation global und somit grenzübergreifend ermöglicht. Primat linker Politik muss es jetzt sein, diese globale Bewegungsfreiheit für alle Menschen zu ermöglichen. Nach der industriellen Revolution bietet sich durch die rasante Digitalisierung der globalen Gesellschaft die nächste Chance, grundlegende Prinzipien neu zu bewerten. Immer stärker automatisierte Produktionsprozesse können es ermöglichen, menschliche Arbeit weitgehend überflüssig zu machen. Damals wie heute liegt es in der Verantwortung der menschlichen Gesellschaft selbst, dafür zu sorgen, diese Entwicklungen zu nutzen. Wenn uns Maschinen noch mehr Arbeit abnehmen können, muss das auf eine Art geschehen, dass Arbeiter*innen nicht schlechter dastehen als zuvor, denn die Befreiung von der Arbeit kann auch befreiend für uns alle sein. Es gilt, dem dystopischen, permanent überwachenden und verwertenden Repressionsapparat eine positive, in Freiheit vernetzte Gesellschaftsvision gegenüberzustellen.

2016 nimmt Schlüsselrolle ein

Das Jahr 2016 nimmt dabei nicht nur für uns eine Schlüsselrolle ein, angesichts der Tatsache, dass die Piratenpartei, mit der immer noch viele von uns identifiziert werden, im Herbst des Jahres sehr wahrscheinlich keine Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mehr stellen wird.

Es ist vielmehr das erste Wahljahr, nach dem die Migrationsbewegung nach Europa auch Deutschland erreichte. Es ist das Jahr in dem nach fünf Jahren völligen Versagens einer uneinigen Zweckregierung in Berlin wieder neu gewählt werden muss. Die fehlende linke Diskursmehrheit hat sich in den letzten Jahren der großen Koalition deutlich bemerkbar gemacht.

Die Seehofers, die Henkels und die Czajas dieser Republik stören sich nicht an dem etablierten braunen Mob, begründet er doch ihre „besorgte Bürger“-Rhetorik und entschuldigt das Versagen bei Aufklärung und Verhinderung von rechten Gewaltexzessen.

Wir halten dagegen.

Wir halten dagegen.

Wir fordern politischen Umschwung und werden dafür kämpfen, dass rechte Parolen und Ressentiments in der Berliner Politik nicht weiter Fuß fassen. Wir treten mit aller Kraft gegen die AfD ein, die droht in das Abgeordnetenhaus einzuziehen.

Wir arbeiten daran, die Menschen in der Stadt über den wahren Charakter ihrer rechtsnationalen völkischen Verirrung aufzuklären.

Wir stehen für „Netze in Nutzerhand“ und „Religion privatisieren“.

Wir fordern endlich eine transparente und offene Verwaltung und nachvollziehbares Regierungshandeln ein. Das hat sich seit dem Einzug der Berliner Piratenfraktionen in das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen weder geändert, noch ist es heute weniger nötig als 2011. Im Gegenteil, das Parlament der Hauptstadt wird seit fast fünf Jahren kontinuierlich entmachtet und in seinen Kontrollmöglichkeiten behindert. Es ist kein Zufall, dass Untersuchungsausschüsse sprießen, wo eine transparentere Verwaltung und ein handlungsfähiges Parlament gemeinsam mit der Öffentlichkeit Skandale schon in der Entstehung hätten verhindern können.

In einem Klima des Filzes und der Handlungsunfähigkeit empfinden wir es als Pflicht, politisch aktiv zu bleiben und zu werden und rufen dazu auf, sich mehr und nicht weniger in demokratische Prozesse und Diskurse einzubringen.

Für uns ist der freie Zugang zu Wissen und Informationen für alle eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Für uns sind Gleichstellung und ein diskriminierungsfreier Zugang zu Sicherheit, Wohlstand und individueller Entfaltung kein Versprechen für eine ferne politische Zukunft, sondern eine Frage der Notwendigkeit. Das Aufbegehren der „technologisierten Jugend“ gegen den Missbrauch von Technologie zur lückenlosen Überwachung aller Menschen ist zum Kampf vieler gesellschaftlicher Gruppen gegen den offen auftretenden Polizei- und Überwachungsstaat geworden.

Wir brauchen ein Gesellschaftsbild, dass fundamental vom Status quo der Leistungs- und Segregationsgesellschaft abweicht und über den nächsten Wahltermin hinaus reicht.

Die organisierte Linke – und damit auch die Partei die LINKE – entwickeln und diskutieren als einzige in Deutschland ein solches Gesellschaftsbild in unserem Sinne. Wir möchten dazu beitragen, diese politische Vision gemeinsam mit der Linken zu entwickeln.

Wir haben uns dazu entschieden, die Linke in Berlin im Jahr 2016 und darüber hinaus kritisch und solidarisch zu unterstützen und so an einer solidarischen Alternative zum bürgerlichen Mainstream in Europa mitzuarbeiten.

Wir sehen uns.

Unterstützende

Gerhard Anger, ehem. Landesvorsitzender Piratenpartei Berlin

Monika Belz, Mitglied BVV Treptow-Köpenick

Leonard Bellersen, Generalsekretär Junge Pirat*innen

Benjamin Biel, ehem. Pressesprecher Piratenpartei Berlin

Florian Bokor, ehem. Vorstand Piratenpartei Sachsen

Joachim Bokor, ehem. Justiziar Piratenpartei Deutschland

Frederik Bordfeld, Mitglied BVV Pankow

Marius J. Brey, ehem. Piratenpartei

Steffen Burger, Mitglied BVV Neukölln

Katja Dathe, ehem. Schatzmeisterin Piratenpartei Berlin

Martin Delius, Mitglied des Abgeordnetenhauses

Konstanze Dobberke, ehem. Piratenpartei

Cornelius Engelmann-Strauß, Mitglied BVV Treptow-Köpenick

Anisa Fliegner, Sprecherin BAG Netzpolitik die LINKE

Marcel Geppert, Mitglied BVV Marzahn-Hellersdorf

Björn Glienke, Bürgerdeputierter Marzahn-Hellersdorf

Anne Helm, Mitglied BVV Neukölln

Oliver Höfinghoff, Mitglied des Abgeordnetenhauses

Michael Karek, ehem. Vorstand Piratenpartei Berlin

Jan Kastner, ehem. Kandidat für die Piratenpartei

Deutschland

Steven Kelz, Mitglied BVV Marzahn-Hellersdorf

Martin Kliehm, Fraktion DIE LINKE Römer Frankfurt a.M.

Fabian Koleckar, ehem. Vorstand Junge Pirat*innen Berlin

Lasse Kosiol, Mitglied BVV Spandau

Matthias Koster, ehem. Vorstand Piratenpartei Trier

Andreas Krämer, ehem. Vorstand Piratenpartei Bremen

Peter Laskowski, Bundeskoordinierungskreis der Ema.Li

Hartmut Liebs, ehem. Piratenpartei

Steffen Ostehr, Mitglied BVV Marzahn-Hellersdorf

Julia Schramm, ehem. Bundesvorstand Piratenpartei

Deutschland

Volker Schröder, Mitglied BVV Treptow-Köpenick

Daniel Schwerd, Mitglied des Landtages NRW

Dr. Benedict Ugarte Chacón, ehem. Piratenpartei

Dr. Simon Weiß, Mitglied des Abgeordnetenhauses

Jan Zimmermann, ehem. Vorstand Piratenpartei Berlin

Oskar Lafontaine’s Kampf gegen das Asylrecht geht weiter

9. November 2015

tl;dr Oskar Lafontaine’s Jahrzehntelanger Kampf gegen Flüchtlinge geht auch als Mitglied DIE LINKE weiter.

Der heutige Vorstoß von Oskar Lafontaine, den Flüchtlings-Zuzug nach Deutschland zu begrenzen reiht sich ein in seinen jahrzehntelangen Kampf gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland.

Lafontaine’s Mitschuld an der heutigen rigiden Flüchtlingspolitik

Bereits als Oberbürgermeister von Saarbrücken hatte sich Lafontaine für Sachleistungen und Sammellager für Asylbewerber eingesetzt. „Es war Lafontaine, der als damaliger Ministerpräsident des Saarlandes noch lange vor der Einführung eines Asylbewerberleistungsgesetzes die Sozialhilfe für Flüchtlinge nicht mehr auszahlte, sondern auf Sachleistungen umstellte. Mit seiner Rhetorik, zusammen mit einer Kampagne in der konservativen Presse, gelang es, das Asylrecht sturmreif zu schießen.“ Dank seiner aktiven Mithilfe ging 1993 sein Wunsch, das Asylrecht auszuhöhlen, in Erfüllung. Die Folgen bekämpfen die meisten Linken, strömungsübergreifend, noch heute. Nicht jedoch der Genosse Lafontaine. Nachdem die „Asylanten“ zahlenmäßig zu einem beinahe vernachlässigbaren Gegner geworden waren, forderte Lafontaine in seiner Kolumne in der Bild-Zeitung im März 2002, den Zuzug von Aussiedlern zu begrenzen. Ebenfalls in der Kolumne verteidigte er 2004 den Vorschlag des damaligen SPD-Innenministers Otto Schily, in Nordafrika Auffanglager für Flüchtlinge einzurichten. Um es kurz zu machten; „Oskar Lafontaine muß sich die Frage nach seiner Mitschuld an der heutigen rigiden Ausländerpolitik gefallen lassen.

Wer, wie Oskar Lafontaine, die Bundeskanzlerin Angela Merkel im CSU-Duktus „mit verantwortlich für die stetig ansteigenden Flüchtlingszahlen“ macht, stärkt denjenigen, die sich für „Asylkritiker“ halten und Woche für Woche gegen die Aufnahme von Flüchtlingen protestieren, den Rücken.

Wer fordert, den Flüchtlings-Zuzug zu begrenzen um „in Deutschland den Familiennachzug zu ermöglichen“ versucht, die Werte des Schutzes von Flüchtenden gegen die des Schutzes von Familien aufzurechnen. Dies steht im Widerspruch zu Werten der Partei DIE LINKE.

Während der Parteivorstand deutlich macht, dass DIE LINKE sich klar als die Partei der Flüchtlingshelfer positioniert, reiht sich Oskar Lafontaine ein in die Reihe derer, die jeden Tag den sozialen Frieden durch Flüchtlinge für gefährdet erklären.

Vollständig untragbar

Fakt ist: Oskar Lafontaine stützt mit seinem Vorstoß diejenigen in der Bundesregierung, die das Asylrecht abschaffen. Er stützt die, die Kontingente statt des persönlichen Rechts auf Asyl wollen. Darum ist sein Vorstoß vollständig untragbar.

Matthias Höhn hat es auf den Punkt gebracht: „Weder ist es akzeptabel, die einen Flüchtlinge gegen die anderen auszuspielen, noch ist es hilfreich, den sozialen Frieden angesichts der aktuellen Situation als gefährdet zu proklamieren. Beides tun andere jeden Tag – und ich bin dankbar, dass viele Menschen genau dagegen Woche für Woche auf die Straße gehen.

Dem kann ich so aus Überzeugung zuzustimmen.

 

Der Beitrag ist auch auf der Seite der Emanzipatorischen Linken unter dem Titel „Oskar: Der Kampf gegen das Asylrecht geht weiter“ erschienen.

(K)eine Fahrkarte in die Zukunft!? Gedanken zum Zukunftskongress DIE LINKE

8. November 2014

Tl;dr Warum die Idee, einen Zukunftskongress der Partei Die Linke durchzuführen eine gute ist, Die Linke als Partei das unentdeckte Land „Zukunft“ Freudig, ohne angst erkunden muss und Kulturoptimismus und Netzpolitik dabei wichtig sind.

 

Vom 24. bis zum 26. April 2015 veranstaltet DIE LINKE in Berlin einen Zukunftskongress. Bei dem Zukunftskongress geht es darum, die gesellschaftlichen Bedingungen für eine sozial gerechte und ökologische Zukunft zu diskutieren.

Zukunftskongress DIE LINKE

Die Frage, die die Sprecher*innen der LINKEN als Veranstalter*innen stellen lautet „wie wollen wir in die gesellschaftliche Diskussion um eine Zukunft jenseits des neoliberalen Finanzkapitalismus eingreifen und linke Alternativen stärken?“

Im Mittelpunkt des Zukunftskongresses stehen die Fragen: Wie wollen wir die Gesellschaft verändern, an welchen Widersprüchen setzen wir an, mit wem wollen wir das gemeinsam tun? Es geht also auch um die Zukunft und die Zukunftsfähigkeit der Linken und der LINKEN selbst.

Klaus Lederer (Berliner Landesvorsitzender), Halina Wawzyniak (MdB) und Stefan Hartmann (stellvertretender sächsischer Landesvorsitzender) haben dazu ein Thesenpapier unter der Überschrift „Die Zukunft kommt ganz sicher. Aber gestalten wir sie mit?“ veröffentlicht.

Darin zeichnen sie das Bild einer Partei, die von Stillstand und einer „existierenden Debattenunkultur“ geprägt sei. Der LINKEN sei die Kompetenz zugeschrieben worden, Partei der sozialen Gerechtigkeit zu sein, den Finger in die Wunde zu legen, die richtigen Fragen aufzuwerfen. „Aber das reicht nicht ewig.“  Die sozialen Proteste gegen die Agenda 2010 seien „so nicht mehr vorhanden“, übrig geblieben nur Protestfragmente, temporäre, diffuse Aufwallungen wie die „Montagsmahnwachen“ oder eine „von uns selbst simulierte soziale Bewegung. Weiter heißt es: „Der immer wieder ersehnte und beschworene Protest von links als Triebfeder progressiver Gesellschaftsveränderung bleibt nicht nur marginal, sondern nicht selten lebensfern und selbstreferenziell.

Ausbrechen aus Kategorien

Wir müssen ausbrechen aus den Kategorien, Rastern, Floskeln, Strömungsgeographien der gegenwärtigen Partei DIE LINKE.“ Sie werde dabei „manch lieb gewordene simple Gesellschafts- und Konfliktbeschreibung“ in Frage stellen müsssen, auch „manch lieb gewordenes Freund-Feind-Denken, in dem sie sich in den zurückliegenden Jahren eingerichtet hat“.

Das betrifft nicht nur DIE LINKE selbst, sondern eigentlich alle „Player“ im gesellschaftlichen Raum, Gewerkschaften, Initiativen, auch „die in unserer Partei wie ein Fetisch angerufenen“ sozialen Bewegungen. „Wir, aber auch sie, verharren in Abwehrkämpfen. Da ist zurzeit wenig neu, wenig originell, wenig mobilisierend, wenig zukunftsfähig.

Ohne einen Zugewinn an „Gebrauchswert“, an Gesellschaftszugewandtheit, an inhaltlicher Substanz könne auch DIE LINKE ihre gesellschaftliche Funktion und Relevanz einbüßen. „Es gibt keinen Automatismus, keine historische Determinante, die uns quasi eine natürliche Existenzberechtigung im politischen Feld zuweist. Auch DIE LINKE kann aus der Zeit fallen.“ 

Ein offener, pluraler Kongress

Ihre Anforderung an den Zukunftskongress ist die an einen offenen, pluralen Kongress. „Wo wird über Zukunft diskutiert? Wer diskutiert über Zukunft? Welche Zukunftsvorstellungen werden diskutiert? Welche stellen den Status quo in Frage und welche sind auf seine relative Stabilisierung ausgerichtet?

Tom Strohschneider weist in seinem Beitrag zum Zukunftskongress „Jung kaputt spart Altersheim“ [] darauf hin, das die Zukunft der Partei DIE LINKE die Linken insgesamt betrifft. Er weist darauf hin das es wichtig ist, „wie die Linkspartei strategisch auf die sich verändern Rahmenbedingungen reagiert.“ Er stellt, zurecht fest, „das mit den leichten Korrekturen an der Rente mit 67 und mit dem Mindestlohn »linke Erzählungen«, die Antworten auf Gerechtigkeitsprobleme boten, von der SPD in einer Großen Koalition »umgesetzt« worden.

Sein Beitrag enthält außerdem eine sehr treffende Zusammenfassung der Wahlanalyse von Horst Kahrs. Dieser weist in seiner Auswertung der Landtagswahlen 2014 (Sachsen, Brandenburg und Thüringen) auf die „Tendenz zur »Vergreisung der Wählerschaft«“ der Partei DIE LINKE hin. Strohschneider weist auch darauf hin, das dieser Trend nach unten auch Organisatorisch in der Linkspartei eine Entsprechung findet.

Ausgehend von alledem formuliert er mit „Es ginge dann also darum, die eigene Politik daran zu messen, welche Antworten sie sowohl auf die beschleunigten Strukturveränderungen durch Kompetenzrevolution und technologische Entwicklung als auch auf die damit einhergehenden Fragen der Solidarität innerhalb der Klasse anbietet.“ seinen Anspruch an den Zukunftskongress.

Wenn die Vorsitzenden in ihrem Brief an die Menschen in DIE LINKE Sätze schreiben wie „Die Zukunft scheint verstellt. Das Schweigen darüber ist organisiert.“, dann schüttelt es mich. Das ist all das, was eine gute Verschwörungstheorie ausmacht: eine gestohlene Zukunft, eine finstere Macht, die über die Köpfe von wem auch immer „das Schweigen“, die Verschwörung, organisiert.

Ich denke: Die Zukunft ist vieles, auch ein unbekanntes Land und damit von Unsicherheit geprägt. Marx schrieb „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“  Er hat recht und die Zukunft ist vieles, „verstellt“ ist sie nicht. Über den Rest des Satzes der Vorsitzenden lege ich den Mantel des Schweigens.

Klaus Lederer, Halina Wawzyniak und Stefan Hartmann schreiben „Die Gegenwart ist ein Feld von Widersprüchen und Auseinandersetzungen, durch die Zukunft konkret produziert wird“. Diese Widersprüche müssen wir analysieren und Auseinandersetzungen, die aus ihnen entstehen ausfechten, wollen wir die Zukunft selbstbestimmt gestalten.

Andererseits: für Mitglieder einer Partei, deren Programm mit der Feststellung beginnt, sie stehe „für Alternativen, für eine bessere Zukunft“, ist Angst, auch als Ausdruck der von uns entwickelten Programmatik, viel zu oft unser Motivator. Unsere Programmatik trieft oft vor Angst, Angst vor „dem Kapital“, Krieg, Überwachungsstaat, Marginalisierung, Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit. Die Zukunft ist für uns ein unentdeckte Land und darum ist die Angst vor der Zukunft auch die Angst vor dem Unentdeckten . Diese Angst vor dem Unentdeckten verunmöglicht es uns oft, der Zukunft voller Neugierde und Enthusiasmus entgegenzutreten.

Zukunft, dieser Ort, an dem noch niemand war, lässt uns oft verzagen, nach Sicherheit suchen. Statt Visionen von ihm zu entwickeln, versuchen wir, ihn aus dem Bestehenden abzuleiten. Ideen von Zukunft, deren Entwicklung oftmals traditionsmarxistischen Theoriegerüsten verhaftet bleiben, wirken statisch, formelhaft. Oftmals sind die Mitglieder unserer Partei Theorien verhaftet, deren Weiterentwicklung eben auch aus Angst und Sicherheitsdenken verweigert wird. Aus so einem Denken lässt sich keine Idee von Zukunft entwickeln, die vom Althergebrachten abweicht. Schaut in unsere Schriften und Ihr werdet oftmals Angst statt phantasievolles Zukunftsdenken entdecken.

Aber wie das Denken über die Zukunft dem Aufbruch in ein unbekanntes Land gleicht, so sollte eines über unser Ziel dabei  das, was Ernst Bloch schrieb, klar sein:Es geht um den Umbau der Welt zur Heimat, ein Ort, der allen in der Kindheit scheint und worin noch niemand war.

Wir können auch anders

Doch wir können auch anders. Zukunft gestalten, verändern, anders sein. „Zukunft gestalten heißt, Veränderungen mit Enthusiasmus zu begrüßen, in Problemen die Chance auf grundsätzliche Verbesserung zu erkennen.

Experimentierfreude ist nicht immer gern gesehen, auch und gerade bei der Definition von dem, was „die Politik“ sein soll. Parteien, auch und besonders DIE LINKE werden an ihren Positionen gemessen, also an ihren Reaktionen auf externe Ereignisse.

Gestaltungswille, politische Ziele und Visionen sind für Parteien nur optionale Aspekte, da sich Wähler*innenstimmen vermeintlich nur mit dem Handeln im „Jetzt und Hier“ gewinnen lassen, nicht mit dem Versprechen einer anderen, besseren Zukunft. Es geht aber auch anders.

Viele Menschen, besonders die, für die das Netz kein Neuland, sondern Heim ist, betrachten die gesellschaftliche und technologische Entwicklung nicht als Gefahr, deren Auswirkungen die Politik möglichst umfassend abschwächen muss, sondern als die Möglichkeit, unsere Welt zum Besseren zu verändern.

Kulturoptimismus und Netzpolitik

Wir dürfen nicht das Gute wegwerfen, das uns der Fortschritt bringt, weil wir zu faul sind, soziale Lösungen zu finden“, und eventuelle schädliche Folgen eben dieses Fortschritts zu beseitigen.

Aus der Krise des ‚geistigen Eigentums‛ erwächst der freie Fluss von Wissen und Kultur.

Aus der Massenarbeitslosigkeit wird die Chance, das eigene Leben frei von Zwängen zu gestalten.

Aus der Kritik an unserem politischen Vorgehen schöpfen wir neue Motivation und hinterfragen unsere Ziele.

Da im Vorschlag der Parteivorsitzenden Kulturoptimismus und Netzpolitik nicht vorkommen, hier einige Themen, deren Behandlung unseren Zukunftskongress und meines Erachtens nach unsere Diskussionen in DIE LINKE bereichern könnten.

Liquid Democracy

In unserer Gesellschaft vollzieht sich ein ständiger Wandel der kommunikativen und sozialen Strukturen. Dieser Wandel wirkt sich nicht nur in sehr konkreter Weise auf unsere Lebensumstände als Privatpersonen aus, er ist auch ein wichtiger Faktor für die Entwicklung und den Aufschwung von innovativen Modellen für die politische Teilhabe als Bürger*innen. Als unkonventionelles Politikmodell zieht in den letzten Jahren das Konzept der Liquid Democracy immer mehr Aufmerksamkeit auf sich.

Was ist Liquid Democracy und wie sind die verschiedenen Anwendungsfälle von LD zu unterscheiden?

Bildung im Digitalen Zeitalter

Was ist Bildung in diesem Jahrtausend? Können wir mit den Fragen und den Antworten von gestern die Probleme von morgen lösen?

Das deutsche Schulsystem ist im Vergleich mit anderen Industrienationen schlecht: Die Schulabschlussquote ist geringer, die Ausbildung der Kompetenzen schwächer, der Bildungserfolg korreliert stärker mit der sozialen Herkunft – und das alles bei relativ hohen Kosten. Diese Befunde sind seit langem bekannt, bleiben aber weitgehend unverändert. Es werden immer wieder Verbesserungsvorschläge und Lösungsansätze auf der Detailebene diskutiert und hin und wieder auch umgesetzt (wie etwa eine sechs- statt vierjährige Grundschulzeit oder ein zwei- statt dreigliedriges Schulsystem). Im Wesentlichen scheint das System jedoch unreformierbar.

Der digitale Wandel hat uns grandiose Chancen für selbstbestimmtes, kreatives, kollaboratives, kritisches und demokratisches Lernen gebracht. Wir haben sie nicht genutzt. Am Morgen nach der Erfindung des Internets stand der Erste auf, um die Revolution des Lernens auszurufen. Jahrzehnte später haben wir alles an Technologie, das für die Revolution nötig erschien. Und alle Ziele grandios verfehlt. Die Verheißungen blieben aus. Es kamen E-Learning anstelle von selbstbestimmtem Lernen, Friss-oder-Stirb-Apps anstelle von (De-)Konstruktionswerkzeugen, multimediale Vokabeltrainer anstelle von grenzenlosen Communities, elitäre Edu-Zirkel anstelle einer Demokratisierung des Lernens. Stattdessen haben wir bunte YouTube-Videos, die das Schulfernsehen der 1970er Jahre kopieren. Wir besuchen den Massen-Onlinekurs statt den Massen-Hörsaal, Google statt die Bibliothek. Mit digitalen Schulbüchern können wir praktisch weniger anfangen als mit den analogen Vorgängern. In das Lexikon kann eins inzwischen reinschreiben – macht aber keiner. Zeit für Ernüchterung. Oder?

Transparenz und Datenautonomie

Wie weit sollte Transparenz im politischen Alltag gehen? Was ist eigentlich Transparenz? Müssen die Bürger wirklich jeden Schritt eines Politikers verfolgen können, um ihm auf die Finger zu schauen? Oder kann auch die nachträgliche Veröffentlichung von Protokollen für Transparenz sorgen? Gibt es Unterschiede zwischen personen- bzw. handlungsfixierter Transparenz und dem geforderten ‚gläsernen Staat‛? Wie weit sollten Live-Streams und Open Data reichen?

Millionen Menschen in Deutschland nutzen das Internet gar nicht oder nur rudimentär. Während die sogenannte Netzgemeinde es in Talkshows und die Feuilletons der großen Zeitungen schafft, fallen ganze Gesellschaftsschichten hinten über. Gleichzeitig sind sie alle vom Kontrollverlust, dem Verlust der Verfügungsgewalt über ihre Daten betroffen.

Gleichzeitig wiederum stammt das Konzept ‚Datenschutz‛ in der kontinentaleuropäischen Tradition in seiner jetzigen Ausprägung aus dem späten 20. Jahrhundert. Im 21. Jahrhundert ist dieses überholt und muss durch etwas neues ergänzt, besser ersetzt werden.

Plattformneutralität?

Aufbauend auf die Forderung der Netzneutralität stellten einige in der ‚Netzbewegung‛ vor einigen Jahren die Forderung der Plattformneutralität als mögliche politische Leitidee der digitalen Generation vor. Plattformneutralität soll gegenüber den Diensteanbietern, dem Staat und dem ökonomischen System diskriminierungsfreie Infrastrukturen einfordern.

Was definieren wir als Plattform und was nicht? Welche Eigenschaften muss sie aufweisen, was muss sie leisten und wo verlaufen die Grenzen des Plattformbegriffs?

Was ist eigentlich Neutralität? Die totale Gleichbehandlung, die Gleichstellung, die Blindheit gegenüber Unterschieden, oder nur Blindheit gegenüber bestimmten Unterschieden? Und was davon ist überhaupt praktisch umsetzbar?

Wie kann Plattformneutralität überhaupt implementiert werden? Welche Strukturen sind dafür notwendig und wie könnte eine Implementation aussehen, welche Seiteneffekte könnten auftreten?

Muss Mensch arbeiten?

Was bedeutet Arbeit in unserer Gesellschaft? Was Arbeitslosigkeit? Welche Verpflichtung haben wir, zur Gesellschaft beizutragen und wer beurteilt das im Einzelfall? Wie mit HartzIV etc. umgehen auf dem Weg zum BGE? Der Beruf eines Menschen konstituiert wesentlich seinen sozialen Status. Ist der hoch, hat der Mensch mehr Möglichkeiten, z.B. in Form von Beziehungen und Geld, die ihm zu mehr Freiheit verhelfen. Immer noch wird dieses System weitgehend als alternativlos präsentiert.

Welches Menschenbild liegt unserem Leistungsdenken zugrunde? Und auf der Grundlage von welchem Menschenbild wollen wir Politik machen?

Ein Anderer Blick auf Überwachung

Anne Helm sagte in ihrer Keynote zur Openmind 2014 zum Thema Überwachung : „Das gefährlichste an Überwachung ist nicht, dass eine Behörde meinen Pornogeschmack kennt.

Für Betroffene hat Überwachung ein ganz anderes Gesicht.

Dieses Gesicht zeigt sich zum Beispiel, wenn Menschen vor den Mauern der Festung Europa von Satelliten und Drohnen nur noch wahrgenommen werden als eine ‚kriminelle Masse‛. (Das Wording ‚kriminelle Masse‛ hat tatsächlich Einzug gefunden in Urteilsbegründungen von deutschen Richtern zu Pauschalurteilen, nach denen hunderte Menschen auf der Flucht inhaftiert oder abgeschoben worden sind).

Das Gesicht von Überwachung zeigt sich auch, wenn Menschen im Zuge von Racial Profiling auf Grund ihrer Hautfarbe verdächtigt und drangsaliert werden.

Das Gesicht von Überwachung zeigt sich dann, wenn Antifaschist*innen in Dresden zu tausenden per illegalen Funkzellenabfragen, Hausdurchsuchungen und DNA-Proben überwacht und kriminalisiert werden, weil sie sich Nazis in den Weg setzen.

Das Gesicht von Überwachung zeigt sich dann, wenn Erwerbslose ihre gesamte Lebensführung offenlegen müssen.

Und das Gesicht von Überwachung hat sich zum Beispiel auch gezeigt, als der Sozialwissenschaftler Andrej Holm nach monatelanger Überwachung inhaftiert worden ist, weil in seinen Vorträgen das Wort Gentrification vorkommt und weil er zu Treffen mit Freunden sein Handy nicht mitnahm.

In solchen Momenten ist es unsere Aufgabe diese Gesichter der Überwachung sichtbar zu machen und sich solidarisch zu zeigen.

Was Nun?

Das obenstehende zeigt: es gibt bedarf dafür, das Unentdeckte Land zu entdecken. Dies ist die Aufgabe eines Zukunftskongresses.Die Nachfrage nach einer zukunftsorientierten und kulturoptimistischen, nach einer grenzenlosen und solidarischen Politik, nach einem emanzipatorischen Freiheitsbegriff, der soziale Gesinnung und moderate Staatlichkeit vereint, steigt.

Daraus erwachsen aber Fragen über Fragen. Diesen Fragen muss sich ein Zukunftskongresse stellen. Das unentdeckte Land, die Zukunft, ist es aber wert, entdeckt zu werden. Um dazu beizutragen: lasst uns gemeinsam eine geilen Zukunftskongress Organisieren. Ein Unentdecktes Land wartet darauf, entdeckt zu werden.

 

—–Quellen, Anmerkungen—–

Dieser Post ist als mein Beitrag zu einer Diskussion innerhalb der Emanzipatorischen Linken (Ema.Li) zum Zukunftskongress  DIE LINKE 2015 entstanden.

Ich danke den Referrierenden der vielen Openmind Konferenzen, aus deren Unglaublichen Potential ich schöpfen durfte, um in die Diskussion von DIE LINKE andere Aspekte einzuführen.

Ich danke den Lektor*innen, die die den Text geändert, angepasst und besser gemacht haben: @eine_Biene @xoryps und @RalfMuschall

Sollte ich vergessen haben, etwas zu verlinken: anschreiben.

[1] Ich finde es witzig, das er als Titel seines Beitrags den eines Songs von Bärchen & Die Milchbibbies gewählt hat.

Illegalisierte in der Bundesrepublik

5. März 2013

Das folgende ist ein Vortrag, gehalten auf dem Bundespolitisches Plenum der Piratenpartei zu Migration und Asyl am 02. und 03. März in Frankfurt/Main #AsylFFM

Jeder Mensch sollte sich vor Augen führen, dass wir fast immer und fast überall von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus umgeben sind. Wir nehmen sie nur nicht wahr, weil sie, durch ihren Status, dazu gezwungen sind, wie unsichtbar zu leben.

Sie können keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und auch keine Sozialhilfe bekommen. Sie sind Offiziell gar nicht hier, haben weder eine Aufenthaltsgenehmigung, noch einen angemeldeten Wohnsitz, eine Steuernummer oder eine Krankenversicherung.

Der unsichtbare Teil der Gesellschaft

Trotzdem leben sie in der BRD, in jeder Großstadt. Wie viele es genau sind, weiß niemand. Jeder Behördenkontakt würde zur Abschiebung führen. Bei Rot über die Ampel zu gehen kann zum Schicksalsschlag werden, wird man von der Polizei erwischt.

Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus/ohne Papiere stellen einen Teil unserer Gesellschaft dar, leben aber in ständiger Angst, entdeckt zu werden.

Ihre Migrationsgeschichten, insbesondere die Gründe, die zu einem Leben in der Illegalität führten, sind sehr unterschiedlich. Totalitäre Gesellschaftssysteme, wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit und Krieg treiben Menschen in die Flucht. In der Regel sind westliche Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar an der Entstehung oder an der Aufrechterhaltung der entsprechenden Konflikte beteiligt.

Das Nicht-Anerkennen dieser Fluchtgründe im deutschen Asylverfahren und die restriktiven Regelungen im Zuwanderungsgesetz bedeuten für Asylsuchende und Migranten, dass sie in die Illegalität gedrängt werden.

Ihre Migrationsgeschichten, insbesondere die Gründe, die zu einem Leben in der Illegalität führten, sind sehr unterschiedlich.

Ursachen für ein Unsichtbares Leben

Unter den Menschen „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus “ sind abgelehnte Asylbewerber, die trotz ihrer Ausreisepflicht nicht ausreisen.

Zu ihnen zählen auch Menschen die im Besitz einer Duldung waren aber aus Angst, dass die Duldung nicht verlängert würde („Kettenduldung“), „abgetaucht“ sind.

Ebenso sind unter ihnen ältere und kranke Menschen die auf Grund der engen Familienzusammenführung Vorschriften nur „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus“ zu ihren hier rechtmäßig lebenden Familienangehörigen umsiedeln können.

Zu erinnern ist auch an z.B. Studenten, die nach Ablauf ihrer Aufenthaltsbewilligung nicht in die Heimat zurückkehren können (z.B. Palästinenser aus Ägypten) und bis zum Erhalt einer Duldung dann „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus “ sind.

Es sind im Übrigen auch schwule, lesbische und Transsexuelle jugendliche, die von ihrer Familie verstoßen wurden und ein Leben „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus “ der Rückkehr in den Familienverband vorziehen.

Probleme haben auch Jugendliche über sechzehn Jahre, die von den Eltern (oder einem getrennt lebenden Elternteil) nicht angemeldet wurden. Dies ist oft ein Versäumnis aus Unwissenheit.

Dadurch aber driften die Minderjährigen in ein Leben „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus“ ab.

Es gibt die Studierenden, deren Aufenthaltsbewilligungen nicht bis zum Abschluss des Studiums verlängert werden, weil sie die Regelstudienzeiten aufgrund vielfältiger Probleme überschritten haben.

Trotz der unterschiedlichen Gründe der Menschen ohne Papiere für ein Leben in der Illegalität ist ihnen gemeinsam, dass sie durch die bestehende Gesetzeslage im Alltag vom Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung ausgeschlossen und ausgegrenzt werden.

Als Unsichtbarer Mensch Wohnen

Die Mehrheit der „ohne gesicherten Aufenthaltsstatus„ sehen sich ausbeuterischen, in Kenntnis der Abhängig- und Machtlosigkeit dieser Mieter/innen agierenden Hauseigentümern ausgesetzt. Es gibt dementsprechend Hausbesitzer, die sich darauf spezialisiert haben. Diese vermieten qualitativ schlechten, beengten Wohnraum mit oft

dürftig bis miserabler Ausstattung (fehlendes Wasser, kein Stromanschluss oder Dusche usw.) zu sehr hohen Mieten. Diese „Kunden„ sind am unteren Ende der Wohnskala und müssen sich mit dem niedrigstem Angebot zufrieden geben. [1]

Als Unsichtbarer Mensch Arbeiten

Das Leben ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in einer Großstadt ist zu einem großen Teil (vielleicht sogar mehrheitlich) weiblich.

In Privathaushalten werden Frauen nicht nur als Reinigungskräfte eingesetzt, sondern auch in der Alten- und Kinderpflege, zum Einkaufen, Bügeln und um sonstige Erledigungen zu machen. Wichtig ist aber anzumerken, dass die autonom arbeitende Frau, die in verschiedenen Privathaushalten oder auch Büros und Praxen von Kunden der Mittelschicht (Ärzte, Rechtsanwälte) arbeitet, ihre Tätigkeit relativ selbständig gestalten kann und dabei meist verhältnismäßig gut verdient.

Der persönliche Umgang mit dem Auftraggeber ist in der Regel weniger belastend oder gar demütigend als in anderen Sparten der „illegalen„ Beschäftigung.

Bei aller relativen Autonomie bleiben erhebliche Nachteile für diese Frauen: Die Arbeit ist körperlich schwer, mit den Jahren kommen die gesundheitlichen Beschwerden (vor allem Rückenprobleme, Krampfadern in den Beinen usw.) auf sie zu, aber ohne den nötigen gesundheitlichen Versicherungsschutz. Die Frauen beklagen sich darüber hinaus in Interviews über Endqualifizierung (meist haben sie einen Beruf gelernt, manchmal sind sie Akademikerinnen), sie sind daher nicht stolz auf ihre Tätigkeit als Putzfrau.

Und: Sie sehen sich trotz ihrem Beitrag zum Lebensunterhalt für die Familie als „Rabenmütter“, die ihre Kinder allein zurück im Herkunftsland gelassen haben.[2]

Als Unsichtbarer Mensch Gesund bleiben

Im Krankheitsfall stehen Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus vor schwerwiegenden Problemen. Der Aufschub einer ärztlichen Behandlung führt in vielen Fällen zu einer Verschlimmerung und Chronifizierung von Erkrankungen. Dies könnte durch frühzeitige Maßnahmen verhindert werden.

Laut den Vereinten Nationen stellt das Recht auf den „besten erreichbaren Gesundheitszustand“ ein Menschenrecht dar, welches unabhängig vom Aufenthaltsstatus jedem Menschen gleichermaßen zusteht. Deutschland unterzeichnete diesen Pakt 1976.

Offensichtlich wird dieses Recht jedoch nicht gewährt, so dass Menschen ohne gesicherten Aufenthaltstatus in Deutschland noch immer einen unzureichenden Zugang zum Gesundheitssystem haben. Die reduzierten medizinischen Leistungen nach AsylbLG wurden nicht zuletzt von der Bundesärztekammer kritisiert und abgelehnt.

Zwar haben ohne gesicherten Aufenthaltsstatus einen rechtlichen Anspruch auf medizinische Notversorgung, der sich aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ergibt. Doch bereits per Gesetz ist diese Versorgung auf das Nötigste eingeschränkt. Und faktisch gibt es überhaupt keinen freien Zugang für ohne gesicherten Aufenthaltsstatus zu einer medizinischen Versorgung: das Problem liegt in der Bezahlung der medizinischen Leistungen. Denn dafür wären die Sozialämter zuständig, die wiederum verpflichtet sind, ohne gesicherten Aufenthaltsstatus der Ausländerbehörde zu melden.

Eine verhängnisvolle Kettenreaktion, die mit der Abschiebung enden kann.[3]

Legalisierung

Bis in der BRD eine komplette Trendumkehr im Bereich Aufenthaltsrecht vollzogen wird, brauchen wir eine intensivere Politik für Menschen, die sich ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufhalten, um deren Recht- und Perspektivlosigkeit zu beenden. Wir benötigen eine Initiative zur Legalisierung von Menschen, die sich ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland befinden. Diese sollen eine unbefristete Aufenhalts- und Arbeitserlaubnis erhalten, um einen geregeltes Leben in Würde führen zu können.[4]

Quellen

[1] Zusammenfassung aus „Dass Sie uns nicht vergessen …“ Menschen in der Illegalität in München  , ab Seite 30

[2] Zusammenfassung aus „Dass Sie uns nicht vergessen …“ Menschen in der Illegalität in München , ab Seite 43

[2] Zusammenfassung aus „Dass Sie uns nicht vergessen …“ Menschen in der Illegalität in München , ab Seite 34

[3] Für ein liberales Aufenthaltsrecht

Material

Hier ist Massenhaft Material zum Thema verlinkt

http://wiki.piratenpartei.de/AG_Migration_Amnestie_Papierlose

und das hier ist die Standartstudie zu dem Thema „Dass Sie uns nicht vergessen..“

http://www.gruene-muenchen-stadtrat.de/seiten/pdfs/studie_illegalitaet.pdf

Literatur

http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Expertisen/emn-wp-41-expertise-de.pdf

DER SPIEGEL, Nr. 49 (1995): Leben im Untergrund. Illegal in Deutschland. DER SPIEGEL vom

4.12.1995, S. 56 ff, Hamburg 1995.

Flüchtlingsrat – Rundbrief 31/32 (1995): Sonderheft: Heimliche Menschen. Illegalisierte Flüchtlinge.

Hrsg.: Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat, Hildesheim 1995.

Hartmann, Bettina (1999): Illegal in Berlin. Momentaufnahmen aus der Bundeshauptstadt. Betrifft:

migration, Nr. 4, Dez. 1999. Herausgegeben vom Erzbischöflichen Ordinariat Berlin, Berlin 1999.

Verlogenheit der Flüchtlingspolitik

9. Dezember 2012

In der Flüchtlingspolitik offenbart sich die Verlogenheit der Bundesrepublikanischen Gesellschaft. Einerseits Fordern die Bürger der BRD an der Seite ihrer Regierung vollkommen zurecht von Ländern wie China oder Syrien die Einhaltung der Menschenrechte. Andererseits aber wird das Elend unzähliger Flüchtlinge an den eigenen Grenzen billigend in Kauf genommen und mit einer dezidierten Abschottungs- und Abschreckungspolitik stetig verschärft.

Die europäische Flüchtlingspolitik ist ein Beispiel dafür, wie Besitzstandswahrung über Menschenrechte gestellt wird. Sie offenbart, dass die Achtung der Menschenrechte ein nachrangiges Kriterium der europäischen Politik ist.

Besitzstandswahrung wird über Menschenrechte gestellt

Selbst wenn es die Flüchtlinge schaffen, Europas Mauern zu überwinden und in die BRD zu kommen, erwartet sie keine offene, menschenfreundliche Gesellschaft. Die Drittstaatenregelung [1] führt dazu, dass Flüchtlinge, die in die BRD einreisen, gnadenlos wieder zurückgeschickt werden, wenn sie aus einem sogenannten sicheren Drittstaat kommen.

Zu den Sicheren Drittstaat zählen die Staaten der EU, Island, Norwegen und Schweiz. Reist ein Flüchtling z.B. über Griechenland in die BRD ein, dann ist Griechenland für das Asylverfahren zuständig. Griechenland, das aufgrund der Schuldenkrise und der aufgezwungenen Finanziellen Schocktherapie am Ökonomischen Abgrund steht, muss dann das Asylverfahren durchführen. Entsprechend katastrophal ist dort die Lebenssituation von Flüchtlingen.

Aus Humanitären Gründen herrscht mittlerweile ein befristeter Abschiebestopp nach Griechenland, doch die BRD will am Dublin-II-Verfahren festhalten, um so wenig Flüchtlinge wie irgend möglich aufnehmen zu müssen. Reiche Staaten meinen sich durch finanzielle Transferleistungen von ihrer Verantwortung auf Schutz der Flüchtlinge freikaufen zu können. Mann denke hierbei nur an Italien, das Flüchtlinge in das Libyen Gaddafis schaffen ließ.

Abgesehen davon, dass die Drittstaatenregelung die fehlende Solidarität innerhalb der Europäischen Union offenbart, wird damit ein klares Signal an die Flüchtlinge gesendet: in der BRD seid ihr nicht willkommen, verschwindet wieder!

Das Recht auf Asyl, eigentlich ein Grundrecht , bekommen nur die Wenigsten zugesprochen und ist faktisch abgeschafft. Gerade die Drittstaatenregelung verhindert dessen Wahrnehmung, da behautet wird, dieses Grundrecht stände den Flüchtling nicht zu. Zwar können sie auch auf anderen Wegen versuchen, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Das führt jedoch oft auf einen langjährigen Kampf mit den Mühlen der BRD Bürokratie hinaus, der viele Menschen zermürbt.

Das Recht auf Asyl  ist faktisch abgeschafft

Fremdbestimmung und staatliche Bevormundung prägen das Leben von Flüchtenden in der BRD. Flüchtende sind in der BRD der in Europa einzigartigen, „Residenzpflicht“ unterworfen. Im Rahmen der bundesdeutschen Asylgesetzgebung verpflichtet die „Residenzpflicht“ Flüchtende, sich nur im Landkreis der für sie zuständigen Ausländerbehörde aufzuhalten. Ein Verstoß gegen diese Auflage gilt als Straftat. Die „Residenzpflicht“ Reproduziert alltags rassistische und diskriminierende Denk- und Handlungsmuster. Sie stellt außerdem eine Einschränkung der Grundrechte dar und kriminalisiert Flüchtende. Dies geschieht, weil sie gezwungen sind, ihnen willkürlich auferlegte und inhumane Grenzen zu überschreiten, um ihren Alltag lebenswert gestalten zu können.

Die Erteilung von häufig sehr kurzfristigen Duldungen hält die Flüchtenden in dauerhafter Angst vor einer Abschiebung.

Wo die Flüchtenden in der BRD untergebracht werden, ist ebenfalls eine willkürliche Entscheidung des zuständigen Amtes. Sie werden nach einem System, welches die Asylsuchenden nach einem Zufallsprinzip in der ganzen BRD „gleichmäßig” verteilt. Hierbei sind bereits bestehenden sozialen Kontakten irrelevant. Dabei wird ihnen jegliches Mitspracherecht vorenthalten.

Untergebracht werden die Flüchtenden in den aller meisten Fällen in Sammelunterkünften also Zwangsunterbringungen, die fast immer abgelegen und kaum durch öffentliche Verkehrsmittel erreichbar sind. Flüchtlingswohnheime und Durchgangsunterkünfte sind für die meisten Flüchtenden keine sicheren Orte, an denen sie sich nach ihren traumatischen Erfahrungen zurückziehen können.

Das Problem ist nicht nur, dass sie abgelegen und durch die „Residenzpflicht“ geradezu isoliert leben, sondern vor Ort ebenfalls menschenunwürdige Zustände herrschen. Unzumutbarer Lärm, große Sanitärräume in unbeschreiblichen Zuständen und ohne Geschlechtertrennung, in denen nicht selten vor allem Frauen überfallen werden, sind nur einige dieser Missstände. Die Bewohner sprechen viele verschiedene Sprachen und somit gibt es wenig Möglichkeit zur verbalen Konfliktbewältigung.

Institutionelle Entmündigung

Die institutionelle Entmündigung der Flüchtlinge findet ihren Niederschlag auch in ihrer Versorgung. Die Sozialleistungen, die ihnen zustehen, werden vielerorts hauptsächlich in Form von Sachleistungen ausgezahlt, meist mit Gutscheinen oder Chipkarten, die nur in bestimmten, oft überteuerten, in der Nähe liegenden Geschäften für bestimmte Waren genutzt werden können. Auf diese Weise erfolgt eine Stigmatisierung dieser Menschen schon vor dem Einkauf. Außerdem gibt es Lebensmittelpakete und Textilien aus der Kleiderkammer.

Die medizinische Versorgung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Flüchtenden in der BRD das Grundrecht auf ein würdevolles Leben untersagt wird. Vor einem Arztbesuch muss ein Krankenschein vom jeweiligen Sozialamt eingeholt werden, welches in den meisten Fällen erst in der nächsten Kleinstadt zu finden ist. Die medizinische Behandlung selbst beschränkt sich dann meist auf die Symptombekämpfung – die Ausgabe von Schmerzmitteln ist die Regel, eine tatsächliche Behandlung der Krankheit die Ausnahme.

Die bisherigen Leistungen waren menschenunwürdig

Die bisherigen Leistungen für Flüchtende wurden durch das Bundesverfassungsgericht als menschenunwürdig erklärt, demnach erhalten Flüchtende von nun an Leistungen in Höhe von 336 Euro monatlich. (Anpassung an HartzIV-Satz). Davon müssen 130 Euro „für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens“ in bar ausgezahlt werden. Bislang lag dieser Betrag bei 40 Euro. Diese Veränderung ist nur ein Tropfen Wasser auf dem heißen Stein.

Darum ist es um so wichtiger, klar zu machen, das Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben. Das auch für sie ein Recht auf Bewegungsfreiheit und die Teilhabe an der Arbeitswelt, an Bildung und Kultur exestiert. Und dies natürlich auch, wenn die Gründe der Flucht noch nicht anerkannt sind, oder wenn eine Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist.

[1] als Dublin-II-Verfahren bezeichnet Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II) http://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EG)_Nr._343/2003_(Dublin_II)

http://www.wir-falken.de/show/5969278.html?searchshow=flucht

 

 

Polizeigewalt und Widerstand

2. November 2012

Ich empfand tiefe Wut, als ich die Streams vom Pariser Platz gesehen habe. Ich war erschüttert, als ich die, die Realität kaum widerspiegelnden Meldungen zum Umgang mit den Flüchtlingen am Brandenburger Tor gelesen habe.

Ich las dann, das ein Camp von Flüchtlingen in der Bannzone geeignet sein kann „die Tätigkeit der Verfassungsorgane stören.“.[1]

Ich fing hemmungslos an zu lachen. Zum einen liegt der Pariser Platz nicht in der Bannzone, zum anderen ist es recht schwer, mit 20 Menschen ein Verfassungsorgan zu Nötigen.

Die CDU, zweitgrößte Partei in Berlin, die größter der BRD, von der das stammt, sollte sich einen Klugen Menschen zum Schreiben von Pressemitteilungen engagieren.

…das wird schon seinen richtigkeit haben, würden sie sagen, würden sie reden“

Neun Tage schikanierte der Rot/Schwarze Berliner Senat eine angemeldete Kundgebung von Flüchtlingen auf dem Pariser Platz. Wir nahmen die Aggression der Rot/Schwarzen Berliner Regierung gegen das #refugeecamp am Pariser Platz nur durch das Handeln der Polizei wahr. Das handeln der Polizei beruhte aber nicht auf der individuellen Entscheidung der einzelnen Beamten.

Nicht die einzelnen Polizisten haben beschlossen, den Flüchtlingen Schlafsäcke, Isoliermatten, Pappe zum Unterlegen usw. zu verweigern, sondern die Politische Führung in Berlin legt das Versammlungsrecht so aus.

Das vorgehen der Polizei war sicherlich eklig. Aus diesem Verhalte sollte aber keine Haltung „Polizisten=Schläger“, „Polizisten=Gewalttäter“ oder gar „„Polizei, SA, SS“[2] abgeleitet werden.

Nicht Polizisten an sich, auch wenn sie Ausdruck von Staatsgewalt sind, sind unsere Gegner. Unsere Gegner sind Politiker, die ihre Verdauungsstörungen zu Schikanen bei einem Flüchtlingscamp werden Lassen. Politiker, die ihrer Persönlichen Meinung durch Nutzung der Polizei zur Durchsetzung ebendieser einsetzt.

Wenn Ersatzleiten immer und immer wieder von der Durchsetzung von Gesetzen Schwadronieren ist dies eines. Es wirkt extrem lächerlich, wenn ihr Untergebenen gleichzeitig vor Filmenden Smartphones Gesetze Brechen.[3]

Keiner der Polizisten, die ihrer Kennzeichnungspflicht nicht nachkamen, wurde von einem Seiner Kollegen belangt. Daraus folgt ein Unauflösbarer Widerspruch, wenn Gesetzesbruch bei Polizisten duldende Polizisten dem Gesetz am Pariser Platz Geltung verschaffen sollen. Es ist auch ein Unauflösbarer Widerspruch, wenn Gesetzesbrechende Polizisten, die ihrer Kennzeichnungspflicht nicht nachkommen, dem Gesetz am Pariser Platz Geltung verschaffen sollen.

…die uniform voll stolz getragen schweigend befehlen gefolgt und ergeben“

In keiner Staatlichen Institution wird das das Gewaltmonopol praktischer manifestiert als in der Polizei. Es ist ihr einziger Auftrag, im Wortsinne handgreiflich zu werden. Dies geschieht immer dann, wenn die Bürger sich den Gesetzen oder ihrer Auslegung durch die jeweilige Regierung nicht freiwillig fügen. Die Polizei, gestützt auf das Gesetz, soll nichts anderes als die bestehende Ordnung aufrechterhalten.

In der Bundesrepublik wird durch ein Geflecht von verschiedensten Verfahren versucht, die Polizei selbst an die Einhaltung des Rechts zu binden. Das soll ihre besondere Qualität im Vergleich zu Formen der Willkürherrschaft ausmachen.

Der Einsicht, dass die Polizei einer besonderen Kontrolle bedarf, ist das eine. Das Andere ist, das ihrer besonderen Stellung als Gewaltträger keineswegs dadurch Rechnung getragen wird, sie genauso zu kontrollieren wie Lehrer oder Beamte des Kreisveterinäramtes.

Dem steht, auch bei vielen Mitgliedern der Piratenpartei, die Staatsfixierung in Deutschland entgegen.

Sicherheit“ wird hierbei vom Staat „gewährt“, sie ist kein Recht, sondern ein Geschenk des Staates an seine Untertanen. Sicherheit kommt von „oben“ und stellt keine Staatliche Aufgabe dar, die unter der Kontrolle der Bürger wahrgenommen werden muss. Angesichts der Obrigkeit Fixiertheit in der frage der Polizei ist es wenig verwunderlich, das die Frage der Kontrolle auf wenig Öffentlichkeit stößt.

…sie sagen, was beschwert ihr euch, euch geht’s verhältnismäßig gut“

Ein deutliches Indiz für mangelndes demokratisches Selbstbewusstsein ist der unglaublich lange erfolgreiche Widerstand gegen eine persönliche Kennzeichnung von Polizisten. Und dabei ist die Kennzeichnungspflicht nur ein erster, unglaublich winziger Schritt, Kontrolle der konkreter Handlungen und Verantwortlichkeiten zu ermöglichen.

Die Ohnmachtserfahrungen von Polizeiopfern sind das stärkste Argument, auch in der BRD unabhängige Kontrolleinrichtungen zu schaffen, um die Staatsmacht zu zähmen.

Die Gegenwärtige Lage ist durch die Schweigemauer und den Korpsgeist innerhalb der Polizei sowie die polizeifreundliche Haltung von Staatsanwaltschaft und Gerichten gekennzeichnet.

Man denke in diesem Zusammenhang nur an das Opfer von Polizeigewalt bei der „Freiheit statt Angst“-Demonstration am 12. September 2009 in Berlin. Die ganze Welt konnte das Vorgehen der Polizei gegen den „Mann im Blauen T-Shirt“ beobachten.[4]

Trotzdem wurde gegen ihn wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt erstattet. Das Verfahren wurde, trotz der Offensichtlichen Lügen der Anzeigenden und ihrer Kollegen, erst 2010 eingestellt.

Das sehr harmloses Urteil, das im Mai 2012 gefällt wurde, 120 Tagessätze a 50 €, zeigte angesichts des hohen Bekanntheitsgrades eher noch verharmlosende Wirkung.

Es heißt ergo: Als Polizist darf ich für die exklusive Summe von 6000 Euro eine Wunschperson XY so richtig vermöbeln.

Wenn das ganze nicht in exzellenter Bildqualität aufgezeichnet wird, gibt es den Actionspaß sogar kostenlos.

Worauf will ich hinaus?

…woanders hungern sie und ihr bekommt von freiheit nicht genug“

Es ist die Notwendigkeit einer unabhängigen Kontrolleinrichtung zur Überprüfung konkreter polizeilicher Handlungen und Einsätze.

Eine unabhängige Kontrolleinrichtung hat ihre größte Bedeutung in der auf den Einzelfall bezogenen Überprüfung der polizeilicher Handlungen. Sie würde für die Betroffenen, ebenso wie für die Öffentlichkeit eine Möglichkeit zur Aufklärung von Sachverhalten beizutragen. Wichtig wäre, das diese Kontrolle unabhängig von staatlichen Interessen, politischen Kalkülen und den Routinen der Justiz stattfindet. Eine solche Einrichtung wäre für Deutschland eine Errungenschaft.

Unabhängigen Polizeikontrolle ist kein Allheilmittel zur Demokratisierung der Polizei. Sie stellt eine Antwort einzig auf die Macht zur physischen Gewaltausübung der Institution Polizei dar.

Gleichzeitig darf man die Potenziale einer Kontrolle nicht überschätzen.

Auch eine kontrollierte Polizei realisiert das Gewaltmonopol, sie sichert keine abstrakte rechtliche Ordnung, sondern bestehende gesellschaftliche Zustände. Eine kontrollierte ist noch keine demokratisierte Polizei.

Ohne Polizei kommen wir nicht aus. Aber die Polizei könnte ANDERS sein, dass ist das entscheidende bei der Sache.

Zwischenüberschriften aus Tapete – „Von Freiheit Nicht Genug“ http://www.youtube.com/watch?v=vEPb55r1yYc&feature=related

[1] http://www.cdu-fraktion.berlin.de/Aktuelles/aktuelle-Presseerklaerungen/Polizei-handelt-rechtmaessig

[2] Der entsprechende Song von Slime ist übrigens aus aus anderen gründen unerträglich.

[3] http://bambuser.com/v/3105922

[4] http://www.youtube.com/watch?v=TDYfm-NsXq8&feature=player_embedded